12. Jan. 2025:18:00Hl. Messe
Graach:Kirche St. Simon und Juda
Originale Gotik und Neogotik - St. Simon und Juda ist im 19. Jahrhundert in origineller Weise erweitert worden.
Die Graacher Kirche ist den beiden Aposteln Simon und Judas Thaddäus geweiht. Nach der “Legenda aurea” aus dem 13. Jahrhundert, dem am weitesten verbreiteten geistlichen Volksbuch des Mittelalters, handelt es sich bei den beiden um Brüder und Vettern Jesu. Ihrer wird am 28. Oktober gedacht. Beide missionierten in Babylonien und Persien und erlitten dort gemeinsam das Martyrium: Simon Zelotes (der Eiferer) wurde mit einer Säge getötet, während Judas Thaddäus mit der Keule erschlagen wurde - mit diesen Attributen sind sie in der Graacher Kirche dargestellt.
Graach an der Mosel ist uralt: Der Ort wurde 975 erstmals genannt, 1121 dann auch eine dort befindliche Kapelle, die bereits das Patrozinium der Apostel Simon und Juda trug. Diese war eine Filiale der Mutterkirche Bernkastel (St. Michael). Dabei blieb es bis zum Jahr 1803: Nachdem schon 1773 die Kirche Graach zur Taufkirche geworden war und einen eigenen Geistlichen hatte, wurde Graach 1803 im Zuge der französischen Neuorganisation Sukkursalpfarrei (Hilfspfarrei).
Das Portal am Westturm der Kirche trägt die Jahreszahl 1601, so dass für dieses Jahr von einem umgreifenden Umbau ausgegangen werden kann. Das Kirchenschiff könnte dagegen schon aus dem 15. Jahrhundert stammen. Es handelte sich ursprünglich um einen Einstützenbau als Nachbildung der Hospitalskapelle Kues, die ab 1453 erbaut worden war, also um einen Raum mit einem Gewölbe, das von einem zentralen Stützpfeiler getragen wurde. Von Kues aus verbreitete sich diese Bauweise, die ursprünglich aus Böhmen stammte und die Kardinal Nikolaus von Kues auf seinen weiten Reisen kennengelernt hatte, weiter in der ganzen Region, auch gelegentlich abgewandelt als Zweistützenraum; die spätgotische zweischiffige Hallenkirche wurde im Trierer Raum ein beliebter Bautyp. 1612 wurde ein sehr schöner Hochaltar angeschafft, der sich heute in Morbach-Gutenthal befindet.
1904 war die gotische Kirche zu klein geworden. So kam es dann unter Pfarrer Riewer zu einer umfassenden Kirchenerweiterung nach Plänen der Architekten Wirtz und Schmitz aus Trier, bei der der alte Chor abgebrochen und das Kirchenschiff auf fast doppelte Länge erweitert wurde. Dies geschah mit einem als dreischiffige Stufenhalle ausgeführten Bau, der einen neuen eingezogenen Chorbau und Nebenchöre für die mittels einer Säule abgetrennten Seitenschiffe besitzt. Den Zentralraum der Erweiterung überspannt ein gewaltiges Sterngewölbe. “Gutes Beispiel einer denkmalpflegerisch befriedigenden und doch eigenschöpferischen Bauerweiterung der Neugotik” (Dehio). Platzprobleme gibt es heute keine mehr - die Kirche besitzt mehr Sitzplätze als die Pfarrei Gemeindemitglieder hat!
Besonders erwähnenswert unter den Ausstattungsgegenständen sind die schöne geschnitzte Kanzel aus dem Jahr 1908 (Werkstatt Thönnes, Wittlich), die ungewöhnlich großformatigen Kreuzweggemälde im Hauptschiff (Kunstmaler Heinrich Brey, 1915) sowie die 1954 anstatt eines wenig überzeugenden neogotischen Hochaltars aufgestellte wuchtige Kalvarienberggruppe von 1707 aus dem “Schuncken-Häuschen” (siehe unten) mit lebensgroßen Figuren “voll Pathos” (Kunstdenkmäler des Kreises Bernkastel, 1935).
St. Simon und Juda besitzt eine Klais-Orgel aus dem Jahr 1914 mit 20 Registern von der Orgelbaufirma Klais, Bonn (op. 532), ein vollpneumatisches Werk mit romantischem Klangcharakter, das auf einer im Zuge der Kirchenerweiterung im Westen, d.h. im alten Kirchenteil, errichteten Empore Platz gefunden hat. Nach einer Beschädigung im Zweiten Weltkrieg und verschiedenen Reparaturen wurde das Werk 1982 von Orgelbauer Paul Kön überholt und kleinere Veränderungen vorgenommen, wobei die Klangcharakteristik erhalten blieb. Letztmals überholte die Firma Weimbs aus Hellenthal 2009 das wertvolle Instrument.
Nachdem das historische Dreiergeläut aus dem 17. und 18. Jahrhundert im Ersten Weltkrieg abgeliefert werden musste, ereilte das 1922 von Humpert (Brilon) erstellte neue Geläut im Zweiten Weltkrieg dasselbe Schicksal. Doch schon am 31. Juli 1949 konnte ein neues Vierergeläut (Tonfolge: e’, g’, a’, c’’) aus der Werkstatt Mark (Brockscheid) eingeweiht werden.
Die schöne und sehenswerte Kirche St. Simon und Juda, die tagsüber grundsätzlich von 10-17 Uhr geöffnet ist, gehört seit dem 1. Januar 2024 zur neu gegründeten Pfarrei St. Nikolaus Bernkastel-Kues; leitender Pfarrer ist Georg Moritz (Dienstsitz Kues).
Gleich hinter der Kirche beginnt ein 1877 errichteter Kreuzweg, dessen neogotische Stationen an der Kreisstraße, die durch die Weinberge zum auf der Höhe liegenden Ortsteil “Graacher Schäferei” führt, angebracht sind. Am Ende des Kreuzweges, in der ersten Spitzkehre, liegt das sogenannte “Schuncken-Heiligenhäuschen”, das vom Graacher Bürger Johannes Schunck 1707 gestiftet worden war. Anstelle der heute dort vorhandenen, kleineren Kreuzigungsgruppe stand bis 1954 die Kalvarienberggruppe mit lebensgroßen hölzernen Figuren, die sich heute an der Stelle des Hochaltars in der Pfarrkirche befindet.
Wir danken Herrn Christophe Coulot (Mainz/Trier) für viele gelungene Fotografien von St. Simon und Juda!
Link zu St. Simon und Juda auf Google Maps, Link zum Schuncken-Heiligenhäuschen auf Google Maps