Erschüttert - Enttäuscht - Entsetzt - Über den Zustand meiner Kirche
Ich bin erschüttert,
über das, was in meiner Kirche möglich war und frage mich, was heute noch möglich ist.
Ich bin enttäuscht
in dem Sinne, dass ich selber einer Täuschung aufgesessen bin. Nie hätte ich gedacht, dass all das möglich war, was wir durch die Presse in den vergangenen Tagen und Wochen erfahren haben.
Ich bin fassungslos
über das Versagen der Bischöfe an so vielen Stellen.
Ich bin entsetzt
über das Leid, das einzelne meiner Kollegen über die Opfer von Missbrauch und ihren Familien gebracht haben.
Ich bin beschämt,
dass so viele in meiner Kirche weggesehen haben und der Schutz von Kindern, Jugendlichen, Männern und Frauen vor sexuellem und geistlichen Missbrauch dem vermeintlichen Wohl der Kirche untergeordnet wurde.
Ich bin verletzt
vom Kleinglauben der Verantwortungsträger meiner Kirche.
Ich bin sprachlos
über das Leid, das Verantwortungsträger den Mitgliedern der Kirche zugefügt haben.
Wenn ich nicht an Gott als das absolute Geheimnis und seine leidenschaftliche Beziehung zum Menschen, wenn ich nicht an Jesus Christus als unüberbietbare Heilszusage Gottes an uns Menschen glauben könnte, würde ich verzweifeln.
Rahner hat einmal formuliert, der wirkliche Inhalt des Wortes Gott als das "unsagbare Geheimnis, durch das der Mensch immer überfordert wird, das er nie in das Kalkül seines Lebens als einen fixen Posten einsetzen kann, muss immer neu durch alle Höhen und Abgründe der menschlichen Erfahrung hindurch erahnt und erlitten werden" (Karl Rahner, Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance, Freiburg 1972). Vielleicht habe ich es mir mit meinem Glauben zu einfach gemacht durch ein verharmlosendes Verständnis von christlichem Glauben und Kirche.
Im Römerbrief heißt es: Obwohl nichts mehr zu hoffen war, hielt er (Abraham) an der Hoffnung fest und vertraute darauf, dass Gott ihn zum Vater vieler Völker machen werde. (Röm 4.18). Ich bin am Ende, Gott aber nicht. Nur in der Paradoxie von Ostern - in diesem Ostergeheimnis - dass im Tod das Leben siegt, lässt ein Fünkchen Hoffnung aufkeimen.
Peter Klauer, Pfarrer und Dekan